Schutzkleidung in der Kirche? „Auf ein Wort“ von Dekan Hermann Friedl (58) (Veröffentlichung im Reutlinger Generalanzeiger „GEA“ am 18.04.2020, S. 14)

Weiße FFP1-, FFP2- und FFP3-Masken oder selbst gefertigter Mundschutz aus Stoff sowie weiße Schutzanzüge gehören in Zeiten von Corona mittlerweile zu unserem Alltag.

Und morgen: Weißer Sonntag – der erste Sonntag nach Ostern. Er hat seinen Namen vom weißen Taufkleid, das die Neugetauften der frühen Kirche in der Osternacht angelegt, eine Woche lang in ihren Dörfern und Städten getragen und am darauffolgenden „Weißen Sonntag“ wieder abgelegt haben. Damit bekannten sie sich öffentlich zu ihrem Getauft-Sein, zu Tod und Auferstehung Jesu Christi und zu ihrem Taufauftrag, die Liebe Gottes in Kirche und Gesellschaft zu leben – wie so unzählig viele dieser Tage! Dieses Kleid spiegelt sich wider im weißen Kommunion- und Brautkleid und auch im weißen Untergewand des Priesters, der Albe.

Zugleich bedeutet das weiße Taufkleid Freude am Leben und Hoffnung aus dem Glauben und ist gewissermaßen eine Schutzkleidung für unser Christsein. Gott legt seinen „Schutzmantel“ um uns Menschen (vgl. Galater 3,27), in guten Tagen und auch in Krisenzeiten. Sein Schutz reicht über alle Grenzen hinaus: über die uns gesetzten Grenzen angesichts des Coronavirus, der menschlichen Un-vollkommenheit und der Vergänglichkeit von Raum und Zeit. „Wer unterm Schutz des Höchsten steht, … der spricht zum Herrn voll Zuversicht: ‚Du meine Hoffnung und mein Licht‘ “ (Gotteslob Nr. 423); es sind Worte aus Psalm 91.

Die Kraftquelle dazu liegt nicht zuletzt in der Feier des gemeinsamen Mahls. Die vielen Mähler Jesu bis hin zu seinem Letzten Abendmahl wurden in der frühen Kirche in den Häusern weitergefeiert. Der „Pater“ oder die „Mater familias“, Vater oder Mutter, haben in den Familien das Brot miteinander gebrochen und damit an die einzigartige Liebestat Jesu erinnert. Das ist Kommunion, Gemeinschaft mit Christus und untereinander! Auch unsere jüdischen Glaubensgeschwister feiern bis heute das Pessachfest zuhause in der Familie.

Während des momentanen Verbots öffentlicher Gottesdienste in der Coronakrise sehnen sich viele Getaufte und Konfirmierte nach diesem „Brot des Lebens“ (vgl. Johannes 6,35). Eine hochbetagte Frau, die nur noch am Fernseher den Gottesdienst mitfeiern kann, lässt sich vom Supermarkt Backoblaten bringen, von denen sie dann jeweils eine unter das Fernsehgerät legt. Mit kindlichem Gottvertrauen ist sie zutiefst davon überzeugt, dass nicht nur der päpstliche Segen „Urbi et orbi“ über die Technikwelten empfangen werden kann, sondern die Einsetzungsworte Jesu auch medial ihre Wirkkraft entfalten. Der in Fribourg lehrende kath. Theologe Daniel Bogner geht noch weiter: Es sei gegenwärtig im Sinn der urchristlichen Hauskirche besser, ohne Priester das kultische Gedächtnismahl mit jenen Menschen gemeinsam zu feiern, mit denen man die Quarantänezeit zu Hause verbringt, als bloß vor dem Internet den Höhepunkt des Glaubens zu konsumieren. Ein Appell an verbissene Traditionalisten und die erstarrte Ämterhierarchie!

Von Herzen danke ich allen, die mit „weißem Schutz-Kleid“ für andere da sind, wünsche den Kranken eine baldige Genesung und den Gesunden Geduld und Gottvertrauen!