Traditioneller Pfingstbrief 2020 von Dekan Hermann Friedl

P f i n g s t e n  –  Future trotz Corona!

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Freundinnen und Freunde in Gesellschaft und Kirche,

einen Monat nach Weihnachten 2019, seit dem 27.01.2020, ist die COVID-19-Pandemie in Deutschland präsent. Drei Monate nach der Feier der Geburt des Herrn, am 27.03.2020, ist das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite in Kraft getreten. Nachdem die Kar- und Ostertage erstmals in der Geschichte der Menschheit ohne öffentliche Gottesdienste vorübergingen, feiern wir seit dem Muttertag 2020 wieder miteinander Gottesdienst, jedoch mit „angezogener Handbremse“. So wird es auch am hohen Pfingstfest dieses Jahr der Fall sein – und wohl noch in sieben Monaten beim Weihnachtsfest 2020.

In diese ver-rückte Zeit und Welt hinein schreibe ich Ihnen meinen schon traditionellen Brief zu Pfingsten, nicht nur, um der Briefflut zu Weihnachten zu entgehen, sondern vor allem, um die Bedeutung dieses leider am meisten vernachlässigten Hochfestes der Christen hervorzuheben.

Das gewohnt alltägliche Leben ist nicht mehr. Aber es ist Leben, ein anderes, das inmitten der Corona-Krise auch Neues, Ungeahntes, Wertvolles hervorbringt! Während die einen gegen die Schutzmaßnahmen protestieren, gehen andere in sich, denken um und ordnen ihr Leben neu. Die Bedeutung der systemrelevanten Berufungen ist nicht mehr zu verkennen, die Regenerierung der degenerierten Natur und Menschheit erfährt einen klimatischen Wandel in doppeltem Sinn: das soziale Klima verändert sich stark positiv; und in den Kanälen von Venedig werden wieder Quallen gesichtet, in den Bosporus wagen sich wieder Delfine und in Thailand kehren Schildkröten an die leeren Touristenstrände zurück. Auch für alle Glieder der Kirche hat diese Pandemie eine läuternde Wirkung: Konzentriertes Hinwenden zu den Menschen in ihrer seelisch-leiblichen Bedürftigkeit, entsprechend dem Geist Jesu und dem Auftrag seiner Frohbotschaft.

Gleichwohl hat die Pandemie mit ihrem Shut- bzw. Lockdown verheerende Auswirkungen auf die Volkswirtschaften, bringt das Familienleben und das Leben in den Gemeinwesen durcheinander, überfordert manch globale Systeme der Gesundheitsversorgung, stellt Regierungen auf die Probe und verursacht Hunger, Not und Elend, ganz zu schweigen von Verschwörungstheoretikern selbst inmitten der Kirche, bei denen die Kardinalswürde mehr als fragwürdig erscheint.

Die Unterscheidung der Geister ist gefragt. Sie bedeutet, die Wirkung des Geistes Gottes von den Wirkungen anderer Kräfte zu unterscheiden. Ist das >immer noch mehr, noch schneller, noch effizienter< weiter zielführend? Oder wäre ein >weniger, entschleunigter, wesentlicher< mehr Balsam für die Seele! Salopp gesagt geht es um die Entscheidung, ob ich „auf das Engelchen oder das Teufelchen auf meinen Schultern“ hören soll. Nur wer den Willen Gottes will, kann die Geister einigermaßen verlässlich unterscheiden. Der hl. Ignatius von Loyola (1491-1556), Mitbegründer des Jesuitenordens, setzt dabei auf drei Dinge: Nichts zu sehr wollen, Gottes Willen spüren und gute Entscheidungen treffen.

Wie sollte das besser gelingen als durch den Beistand von oben (Johannes 14,16f.), die Power Gottes, den Heiligen Geist!
Dieser Pfingstgeist ist geistreich, entfacht Feuer und Flamme für Gott, für Christus, für die Menschen, verändert, verwandelt, schafft neu, bringt Zukunft wider alle Widerlichkeiten und neues, göttliches Leben in die Welt!
„Lasst uns nicht müde werden, das Gute zu tun;“ fordert der Apostel Paulus die Menschen im ‚galatischen Land‘ auf, „denn wenn wir darin nicht nachlassen, werden wir ernten, sobald die Zeit dafür gekommen ist“ (Brief an die Galater 6,9).

Ihnen allen, die Sie von Dezember 2019 bis März 2020 in den verschiedenen christlichen Kirchengemeinden Ihre Vertreterinnen und Vertreter für die neuen Kirchengemeinderäte gewählt haben und sich auf Ihre je persönliche Art und Weise für unser Dekanat Reutlingen-Zwiefalten und unser gesellschaftliches Leben mit Herz, Hand und Verstand einsetzen, gilt meine aufrichtige Wertschätzung, hohe Achtung und mein großer Dank! Wir tun gut daran, uns stets auf die demokratisch errungenen Werte zu stützen, sie zu erhalten und in unserem christlichen Engagement nicht nachzulassen, erst recht nicht, wenn Rechtsradikalismus, Antisemitismus und Populismus dagegen zu steuern versuchen!

Von Herzen wünsche ich Ihnen allen die Kraft des Heiligen Geistes: Zukunft für die Kreatur, Zukunft für die Gesundheit und Zukunft für ein menschenwürdiges Leben! Auf ein weiter gutes und segensreiches Miteinander im Dekanat und Landkreis!

Herzlichst    
Ihr
Hermann Friedl
Dekan