Symbole statt Gottesdienste – Die Heilige Woche in der Seelsorgeeinheit Echaztal

„Das hat es nicht einmal im Dritten Reich unter Hitler gegeben, dass Gottesdienste verboten wurden“, sagt eine 92-Jährige aus der Kirchengemeinde dem Dekan am Telefon. Sie hat den Zweiten Weltkrieg erlebt, und jetzt dies: eine durch den Coronavirus aus den Fugen geratene Zeit und Welt. Aber die Hochbetagte hat volles Verständnis für die Schutzmaßnahmen all der Verantwortlichen – und allen größten Respekt vor denen, „die an vorderster Front für die Bedürftigen, Alten, Kranken und Sterbenden arbeiten“, sagt sie.

Frau Maier (Name geändert) kam Sonntag für Sonntag einen nicht gerade kurzen Weg zu Fuß zum Gottesdienst in die Kirche. Nun muss sie zuhause am Fernseher die Gottesdienste mitfeiern, sofern sie überhaupt am Gründonnerstag, Karfreitag und in der Osternacht übertragen werden. Dekan Hermann Friedl tröstet sie, wie sonst noch manchen: „Wenn ich in diesen Tagen zwar nicht öffentlich, so doch aber die Gottesdienste feiere, dann denke ich im Gebet auch ganz besonders an Sie“, sagt Friedl. Und beide reden über die christlichen Inhalte und vielen ausdrucksstarken Zeichen der kommenden heiligen Tage, die Dekan Friedl auch in der Pfullinger Kirche St. Wolfgang sprechen lässt – für diejenigen, die die ganztägig geöffnete Kirche besuchen, fürbittend eine Kerze entzünden, im Gebet verweilen und Kraft und Zuversicht schöpfen im Heiligen Brot auf dem Altar, bei dezenter Musik und in entsprechender Atmosphäre.
Auch die Präsenz in der Kirche St. Wolfgang und das Gesprächsangebot der beiden Diakone Roland Hummler und Mark Schaefer sowie der beiden Priester Andrew Owusu und Hermann Friedl bleibe täglich von 10-11 Uhr und 14-15 Uhr aufrecht erhalten, selbstverständlich unter Wahrung des Social Distancing.

Seit Palmsonntag weist ein großer Palmenstab mit rot gefärbten Eiern im Altarraum auf den Einzug Jesu in Jerusalem hin, als die Menschen damals Zweige von den Bäumen rissen und ihrem Hoffnungsträger inmitten römischer Besatzungsmacht zujubelten.
Am Gründonnerstag steht eine Fußwaschungsschüssel, ein großer Wasserkrug und ein Handtuch auf dem Altar als Zeichen der demütigen Liebe, mit der Jesus seinen Jüngern bei der Einsetzung der Eucharistie im Abendmahlssaal die Füße wäscht – ein mögliches Zeichen heute für den beispiellosen Dienst so vieler an den von Corona betroffenen Menschen.
Den Karfreitag prägt ein überdimensionales schlichtes Holzkreuz, das schräg auf dem Altar in Richtung menschenleere Kirchenbänke liegt und nicht zuletzt auf die zu tragenden Kreuze der Menschen dieser Tage verweist.
Die Osterkerzen und das Taufwasser werden auch „ohne“ mitfeiernde Gemeinde gesegnet. Zwei dieser großen Kerzen spendet die Kirchengemeinde jedes Jahr für die Trauerfeiern in den beiden Aussegnungshallen in Pfullingen und Unterhausen. Das Symbol der diesjährigen Osterkerze ist „ein Schiff, das sich Gemeinde nennt“, wie ein Kirchenlied heißt. Die beiden Bootssegel erinnern an die (Wieder-) Vereinigung der beiden Lichtensteiner und Pfullinger Kirchengemeinden, das gemeinsame Miteinander und die Herausforderungen gerade auch in der gegenwärtigen Coronazeit.
Aus Rücksicht vor Ansteckung denjenigen Familien gegenüber, die traditionell mit Fahrrädern und Kanistern sonst immer das Taufwasser an der Echazquelle geholt haben, wird Hermann Friedl dieses Jahr selbst „in die Fluten nicht des Jordan, wohl aber der Echaz steigen, um das Taufwasser zu bereiten“, wie der Dekan schmunzelnd sagt. „Noch wichtiger als das Osterfeuer am Abend des Karsamstags ist“, so Friedl, „dass vor allem die Menschen ‚Feuer und Flamme‘ für Christus, den Auferstandenen, seien und sich dieses Feuer der Liebe wie bei so vielen Menschen dieser Krisentage hindurch noch weiter über das Erdenrund ausbreite.“

Auf der Homepage und auf Facebook der Seelsorgeeinheit Echaztal sind zudem spirituelle Impulse, kleine Liturgien und aktuelle Hinweise zu finden, die die Verbundenheit mit den Gemeindemitgliedern und Interessierten zeigen und „geistliche Nahrung“ sein können für die Kar- und Ostertage und darüber hinaus.
In ökumenischer Verbundenheit begleiten die evangelischen und katholischen Pfarrerinnen und Pfarrer aus Lichtenstein, Pfullingen und Eningen ihre Gläubigen durch die unmittelbar bevorstehende Heilige Woche mit einer kurzen Videobotschaft, die das Regionalfernsehen RTF.1 im Rahmen der halbstündlichen Nachrichten ausstrahlt. Am Karsamstag wir Dekan Hermann Friedl die Verkündigung der christlichen Botschaft übernehmen. Genauere Angaben dazu folgen noch in einem extra Zeitungsbericht.