Pfingstbrief 2024 von Dekan Hermann Friedl – statt Weihnachtspost: DIE GEISTKRAFT GOTTES ALS GARANT FÜR DIE DEMOKRATIE

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Freundinnen und Freunde in Gesellschaft und Kirche!

Negativschlagzeilen beherrschen nicht nur manche Medien, sondern sind auch eine der Ursachen, die zur Depression von Menschen und zum mangelnden Zusammenhalt in der Bevölkerung beitragen. Nicht nur Corona hat die Welt verändert, sondern auch aufkommender Rechtsextremismus, Antisemitismus und Gewaltausbrüche gegen Verantwortungsträger in Politik und Gesellschaft, von den nicht enden wollenden Kriegen in der Ukraine, im Gazastreifen und anderswo ganz zu schweigen.

In wenigen Tagen, am 23. Mai 2024, mitten in der Pfingstoktav, feiern wir 75 Jahre Grundgesetz – so heißt die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, die nicht in Paragrafen, sondern in Artikel unterteilt ist. Einen Satz daraus kennt fast jeder, und er steht direkt im ersten Artikel: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – eine Garantie mit weitreichenden Auswirkungen. Das Grundgesetz regelt unser Zusammenleben. 75 Jahre Freiheit, Frieden und Demokratie in Deutschland – eine Erfolgsgeschichte. Aber sie ist keine Selbstverständlichkeit. Auch die Kirche hat die aus der Aufklärung stammende Devise „Liberté, Egalité, Fraternité“ (Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit), die während der französischen Revolution zum ersten Mal beschworen wurde, erst im Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) fest verankert.

Die Europawahl am 09. Juni 2024 und die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen (je am 01. September) und Brandenburg (22. September) lenken das Augenmerk auf die Wahlergebnisse und die künftigen Regierungen. Nach wie vor ist es nicht nur eine Christenpflicht, vom Stimmrecht Gebrauch zu machen, sondern auch jede Bürgerin und jeder Bürger schuldet seine Wahlbeteiligung unserem demokratisch verfassten Staat und seinen Organen. Dabei können „rechtsextreme Parteien und solche, die am Rande dieser Ideologie wuchern, … für Christinnen und Christen … kein Ort ihrer politischen Betätigung sein und sind auch nicht wählbar“ (Deutsche Bischofskonferenz 22.02.2024). Die Bischöfe weiter: „Die AfD changiert zwischen einem echten Rechtsextremismus, den der Verfassungsschutz einigen Landesverbänden und der Jugendorganisation der Partei attestiert, und einem Rechtspopulismus“.
In demjenigen, der „aus demokratischem, freiheitlichem und menschenfreundlichem Geist heraus seinen Widerstand gegen die Machenschaften der Rechtsextremisten bekundet“ (ebd.), zeigt sich auch die Kraft der anderen Wirklichkeit, die die Christen weltweit an Pfingsten feiern: die Geistkraft Gottes!

Ein Blick in das zweite Testament der Bibel lohnt. Der Völkerapostel Paulus schreibt in seinem ersten Brief an die Gemeinde von Korinth über „Der eine Geist und die vielen Gaben“:
„Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen. Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt. Dem einen wird vom Geist die Gabe geschenkt, Weisheit mitzuteilen, dem anderen durch denselben Geist die Gabe, Erkenntnis zu vermitteln, … einem anderen die Fähigkeit, die Geister zu unterscheiden“ (1 Kor 12,6-8.10).
Grundlage dafür ist und bleibt der Glaube an Gott – wider alle Entchristlichung und Vergötterung der Welt.

Ich wünsche uns allen ein Fair Play nicht nur bei der Fußball-EM vom 14. Juni bis 14. Juli 2024, sondern eine stete Verbindung von Menschen unterschiedlicher Nationen, Milieus, Kulturen und Religionen miteinander, um Hoffnung, Enttäuschung, Freude oder Scheitern respektvoll zu teilen.
Der Beginn der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ des Vatikanum II drückt dies so aus:
„Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der [Jüngerinnen und] Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände.“

Ich möchte Ihnen allen meinen herzlichen Dank aussprechen für Ihre Arbeit im Dekanat, in der Ökumene, im Landkreis und weit darüber hinaus! Wir alle sind dankbar, dass wir mit unserem Mensch- und Christsein Zeugnis geben dürfen für die eine christliche Kirche, die stets reformbedürftig ist (ecclesia semper reformanda) und der „Verheutigung“ und „Vertäglichung“ bedarf. Mit seinem berühmten „Aggiornamento“ war es bereits das Anliegen Papst Johannes‘ XXIII., das Geheimnis der Kirche in unserer Zeit wieder als Segen lebendig (Verheutigung) und so für die Menschen heute in ihrem alltäglichen Leben wieder greifbar werden zu lassen (Vertäglichung).

In großer Hoffnung und Zuversicht auf Frieden und ein menschliches Miteinander in naher Zukunft wünsche ich Ihnen und Ihren Lieben die Geistkraft unseres Gottes: Lieben Sie das Leben und leben Sie die Liebe aus und in der Kraft des Heiligen Geistes!
Erholsame und stärkende Pfingsttage sowie herzliche Grüße!