Film und Vortrag: Gottes zerstreute Funken am 18. November, 20 Uhr, in der Klosterkirche

Gemeinsam mit der Neske-Bibliothek in der Reihe „Philosophie im Kloster“ lädt die ACK Pfullingen im Jubiläumsjahr 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland ein zu einem Filmessay von Rüdiger Sünner.

Seit 1700 Jahren leben Jüdinnen und Juden nachweislich auf dem Gebiet des
heutigen Deutschlands. Eine ökumenische Plakat-Kampagne weist in diesem Jahr
immer wieder auf einzelne Aspekte jüdischen Denkens und Glaubens hin.
Nun soll in Kooperation mit der Neske-Bibliothek in deren Reihe „Philosophie im
Kloster“ ein Film des Berliner Regisseurs Rüdiger Sünner gezeigt werden, der
anhand des Lebens und des lyrischen Werks von Paul Celan in ein Kapitel jüdischer
Mystik führt, das diesem großen Dichter der Nachkriegszeit das Schreiben nach
dem Holocaust wieder ermöglichte.
Paul Celan hat im Pfullinger Kloster mit seinem Gedicht-Band „Sprachgitter“
Spuren hinterlassen, die vom Pfullinger Verleger Günter Neske initiiert waren. Das
Pfullinger Sprechgitter war für Celan Symbol für die unterbrochene
Kommunikation nach dem Nationalsozialismus. Das Deutsche Literatur-Archiv in
Marbach am Neckar veröffentlichte dazu ein „Spuren“-Heft.
Die Arbeitsstelle für die Literarischen Museen in Baden-Württemberg unterstützt
die Veranstaltung, die im vergangenen Jahr zu Paul Celans 100. Geburtstag
stattfinden sollte, von der Pandemie allerdings verhindert wurde.
Nun soll der Plan am Donnerstag, 18. November, um 20 Uhr in der Pfullinger
Klosterkirche nachgeholt werden. Rüdiger Sünner wird in den Film und seine
Thematik einführen und zum anschließenden Gespräch bereit sein.
Eintritt mit 3 G, und 10.- €
Inhalt und Hintergrund:
Wie ist ein Gott zu denken, der die Existenz des Bösen in seiner Schöpfung zulässt?
Wo ist sein Licht angesichts all der Finsternis in der Welt? Hat sich Gott schon am
Anfang der Schöpfung zurückgezogen, um deren freie Entwicklung nicht zu
gefährden? Begann nicht schon der Uranfang der Schöpfung mit einer
Katastrophe, in der die ersten Seinsformen zerbrachen und uns einen kosmischen
Scherbenhaufen hinterließen? Von solchen Gedanken der Kabbala war der
jüdische Dichter Paul Celan tief berührt. Nach dem Holocaust, dem seine Eltern
zum Opfer fielen, konnte er an keinen allgütigen und allmächtigen Gott mehr
glauben. Doch es blieb die Idee von den zerstreuten göttlichen Lichtfunken, die
wir immer noch aufspüren und einsammeln können…
Die Kabbala-Studien Gershom Scholems und der von Martin Buber überlieferte
Chassidismus übten einen großen Einfluss auf das spirituelle Weltbild Paul Celans
aus. Eine filmisch noch nie dargestellte Seite des Dichters der »Todesfuge«:

Für Paul Celan war seine Heimat, die Bukowina, »eine Landschaft, in der ein nicht
unbeträchtlicher Teil jener chassidischen Geschichten zu Hause war, die Martin
Buber uns allen wiedererzählt hat.« Celan war fasziniert von den dort
ausgedrückten Ideen von Zimzum, Shevirat Ha Kelim und Tikkun Olam. »Zimzum«
besagt, dass Gott sich zu Beginn der Schöpfung zurückgezogen habe, um dem
Menschen eine freie Entwicklung zu ermöglichen. Die dennoch von ihm zur
Unterstützung ausgesandten dünnen Lichtstrahlen waren immer noch zu mächtig
und so zerbrachen die ersten »Gefäße« der Schöpfung in Millionen von Splittern
und Funken (»Shevirat Ha Kelim«). Seither ist Gottes Licht als Vielzahl von Funken
verstreut über die Welt und harrt selbst in Steinen, Wasserlachen und Gewächsen
auf seine Wiederherstellung (»Tikkun Olam«).
Für Celan eine bildgewaltige negative Theologie, die auch nach dem Holocaust
bestehen konnte.
Der Film „Gottes zerstreute Funken“ versucht zu zeigen, wie Celans Poesie in
vielen Variationen versucht, diese verstreuten Funken einzusammeln und ihre
Würde zu bewahren.